Herford/Vlotho 27.08.2024
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Apotheken: Angst vor der Zwei-Klassen-Versorgung

Die Apotheke macht Minus. Eigentlich müsste sie geschlossen werden. „Aber das wäre eine Katastrophe für die Region. Wir wollen die Patienten nicht im Stich lassen und die Mitarbeiter brauchen etwas zum Essen auf dem Tisch“, so Jens Kosmiky, Vorsitzender der Bezirksgruppe Herford im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Also bleibt die Apotheke im 
Kreis Herford geöffnet – und wird von anderen Standorten quersubventioniert.

30 Prozent unter dem Mindestlohn für Pflegekräfte

Die Apotheke steht für viele andere in Westfalen-Lippe. An ihrem Beispiel verdeutlichen Jens Kosmiky und sein Kollege Edward Mosch, Kreisvertrauensapotheker, dem SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Schwartze, wie schwierig die wirtschaftliche Situation vieler Apotheken vor Ort mittlerweile ist. Bereits im November des vergangenen Jahres hatte sich der Patientenbeauftragte der Bundesregierung mit beiden Apothekern über die Lage ausgetauscht. Nun hat er sich erneut mit ihnen zusammengesetzt. Seitdem habe sich die Lage nicht verbessert, vielmehr seien weitere Apotheken geschlossen worden, erklären Mosch und Kosmiky. Der Grund: Seit 20 Jahren hat es keine nennenswerte Anpassung der staatlich geregelten Vergütung gegeben. Zugleich sind aber Sach- und Personalkosten sowie Inflation deutlich gestiegen. „Zehn Prozent der Apotheken sind mittlerweile defizitär, ein Drittel wirtschaftlich gefährdet“, so Jens Kosmiky.

„Wir brauchen dringend eine Erhöhung der Vergütung, weil sonst weitere Apotheken schließen müssen und weil wir unsere Mitarbeiter besser bezahlen wollen“, so Edward Mosch. Er rechnet vor, dass das Einstiegsgehalt einer pharmazeutisch-technischen Assistentin laut Tarifvertrag nahezu 30 Prozent unter dem Mindestlohn für Pflegefachkräfte liege. „Wir können aber keine höheren Löhne zahlen, wenn die Vergütung der Apotheken nicht endlich von der Politik erhöht wird.“

Geplante Umverteilung verschlimmert die Lage

Mit einer Apothekenreform will das Bundesgesundheitsministerium nun das Apothekennetz und die flächendeckende Versorgung der Patienten sichern. „Wenn diese Reform wie geplant umgesetzt wird, wird aber alles nur noch schlimmer“, warnt Jens Kosmiky. Nicht zuletzt plant das Ministerium eine Honorarreform: Geld soll zwischen kleinen und größeren, vermeintlich besser verdienende Apotheken umverteilt werden. „Damit ist aber keine kleine Apotheke zu retten, stattdessen werden weitere in wirtschaftliche Schieflage geraten“, warnt Jens Kosmiky. „Es ist mittlerweile schlicht zu wenig Geld im System.“

Leistungskürzungen befürchtet

Was Mosch und Kosmiky besonders große Sorgen bereitet: Das Bundesgesundheitsministerium will künftig Kosten und Fachkräfte einsparen, indem es mit der Reform Apotheken ohne Apotheker schafft. Nur noch wenige Stunden pro Woche soll ein Apotheker in einer Apotheke anwesend sein müssen. Ohne Apotheker gebe es keine Medikationsberatungen mehr, keine Impfungen, keine individuellen Rezepturen, keine sichere Versorgung mit Betäubungsmitteln und im Übrigen auch keine Nacht- und Notdienste. „Die Pläne führen zu Leistungskürzungen für die Patienten und letztlich zu einer Zwei-Klassen-Versorgung. Sie sind zudem ein Risiko für die Sicherheit der Patienten, so Edward Mosch.

Apotheken ohne Apotheker – diese Idee sieht auch der Patientenbeauftragte Stefan Schwartze sehr skeptisch. „Ich nehme die Sorgen und Bedenken ernst und werde sie mit nach Berlin nehmen.“

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Kontakt

Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V.
Willy-Brandt-Weg 11
48155 Münster

Telefon: 0251 539380
Telefax: 0251 5393813
E-Mail: apothekerverband@avwl.de

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