Hamm 30.09.2024
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„Das System ist ausgepresst“

Vor 15 Jahren gab es noch 50 Apotheken in Hamm – heute sind es nur noch 35. Dies entspricht einem Rückgang um 30 Prozent. Nahezu jede dritte Apotheke also musste in den vergangenen Jahren aufgeben. Und die Zahl schwindet weiter mit zunehmender Geschwindigkeit. Mittlerweile schließt bundesweit alle 16 Stunden eine Apotheke. Über die Gründe für dieses Apothekensterben hat sich Hamms Oberbürgermeister Marc Herter (SPD) nun beim Besuch der Hirsch-Apotheke am Bahnhof informiert. 

Chronisch unterfinanziert

„Hauptursache ist die chronische Unterfinanzierung der Apotheken“, erklärt Martin Schwarzer, Apotheken-Inhaber und Vorsitzender der Bezirksgruppe Hamm im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Seit 20 Jahren sei die staatlich reglementierte Apothekenvergütung de facto nicht mehr erhöht worden, obgleich Sach- und Personalkosten sowie Inflation im gleichen Zeitraum stark gestiegen sind. „Uns wird wirtschaftlich der Boden unter den Füßen weggezogen“, so Martin Schwarzer. „Mittlerweile sind zehn Prozent der Apotheken defizitär und ein Drittel ist wirtschaftlich gefährdet“, ergänzt Thomas Harren, Kreisvertrauensapotheker in Hamm. Dabei würden die gesetzlichen Krankenkassen gerade einmal 1,9 Prozent ihrer Ausgaben für die Apotheken vor Ort aufwenden – nur halb so viel wie für die eigene Verwaltung. 

Zwar plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nun eine Apothekenreform. Statt dabei aber die Apotheken nun endlich wirtschaftlich zu stärken, will er lediglich das Honorarvolumen umverteilen: Von den großen vermeintlich gut verdienenden Apotheken will er Honorar abschöpfen und den kleineren geben. „Das wird nicht funktionieren“, warnt Thomas Rochell, AVWL-Vorstandsvorsitzender. „Das System ist ausgepresst. Da ist nichts mehr umzuverteilen.“ „Kleine Apotheken würden nur in kaum messbarem Umfang von der geplanten Reform profitieren, dafür aber gerieten weitere, größere Apotheken in Schieflage“, fürchtet Rochell. 

Er begrüßt grundsätzlich, dass Apotheken nicht mehr nur an den abgegebenen Arzneimittelpackungen verdienen, sondern zunehmend auch für pharmazeutische Dienstleistungen und Präventionsangebote wie Blutdruckchecks und umfassende Medikationsberatungen vergütet werden sollen. Einen solchen Strukturwandel könnten jedoch nur gesunde Betriebe mit ausreichend Personal und Zeit meistern, gibt Rochell zu bedenken.

Leistungskürzungen befürchtet

Hinzu kommt: Viele der Präventionsleistungen müssen durch Apothekerinnen und Apotheker erbracht werden. Diese aber will der Bundesgesundheitsminister im Zuge seiner Apothekenreform einsparen. So will er der Fachkräftemangel begegnen und Kosten reduzieren. Nur noch wenige Stunden pro Woche soll ein Apotheker in der Apotheke persönlich anwesend sein müssen. „Ohne Apotheker in der Apotheke könnten wir auch keine Patienten mit starken Schmerzen mehr versorgen, keine Sterbenskranke. Die Versorgung der Menschen in Seniorenheimen würde erschwert“, zählt Martin Schwarzer die Folgen auf. „Es gäbe dann auch keine Impfungen mehr in Apotheken und keine umfassenden Medikationsberatungen“, fügt Thomas Harren hinzu.

Der Oberbürgermeister hört zu, fragt auch kritisch nach. Als Kommunalpolitiker könne er in Sachen Vergütung und Reform nichts versprechen, so Herter. Doch mit seinem Parteifreund Lauterbach steht er in engem Kontakt und will sich auch darüber mit ihm austauschen.
 

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