Mit gerade einmal 30 Jahren ist Sarah Beckhoff in einem Alter, in dem man die Apotheke vor Ort glücklicherweise eher selten aufsuchen muss. Doch die aktuellen Berichte über das Apothekensterben haben die junge Politikerin veranlasst, sich in der Westfalia-Apotheke umzusehen und dort ein Bild von der Situation zu machen. Inhaberin Kattrin Hildebrandt und Frank Dieckerhoff, Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, haben mit der CDU-Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Dortmund I über die Gründe für die zunehmenden Apothekenschließungen gesprochen.
Hauptursache ist die mittlerweile chronische Unterfinanzierung der Apotheken vor Ort. Seit 20 Jahren sei die staatliche geregelte Vergütung de facto nicht mehr erhöht worden, erklärt Frank Dieckerhoff. Im gleichen Zeitraum aber seien Sachkosten, Energiepreise, Personalgehälter und Inflation stark gestiegen: „Zehn Prozent der Apotheken sind mittlerweile defizitär. Mehr als ein Drittel ist wirtschaftlich gefährdet.“ In Dortmund ist die Zahl der Apotheken in den vergangenen 15 Jahren gesunken. Die Apothekendichte in der Stadt liegt damit noch unter dem Bundesdurchschnitt und ist im europäischen Vergleich weit abgeschlagen. „Die Apotheken müssen finanziell stabilisiert werden – und zwar schnell“, so Dieckerhoff. „Jeder Tag, an dem die Politik in Berlin handlungsunfähig sei, kostet ein bis zwei weitere Apothekeninhaber die Existenz.“
Die beiden Apotheker erläutern der CDU-Kandidatin für den Bundestag das System, wie Apotheken vergütet werden: Pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung erhalten sie 8,35 Euro zuzüglich 3 Prozent vom Einkaufspreis. Davon müssen sie allerdings 2 Euro wieder an die Krankenkassen als Zwangsrabatt abführen. Die Arzneimittel müssen sie vorfinanzieren. Erst Wochen, nachdem sie ein Medikament an den Patienten abgegeben haben, bekommen sie den Betrag von den Krankenkassen zurückerstattet.
Gerade bei hochpreisigen, innovativen Arzneimitteln seien die Vorfinanzierungskosten kaum mehr durch die Vergütung gedeckt, rechnet Kattrin Hildebrandt vor, die auch Mitglied im Beirat des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) ist. Hinzu komme das Risiko, dass die Kasse aufgrund irgendwelcher Formalien am Ende die Kosten gar nicht erstatte und die Apotheke auf der Rechnung sitzen bleibe. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Sarah Beckhoff kommt aus dem Handel und sieht das Problem der Unwirtschaftlichkeit.
Nacht- und Notdienste, Impfungen, umfangreiche Medikationsberatungen, Inhalationsschulungen, die Herstellung individueller Arzneimittel wie Salben und Cremes, Fiebersäfte, Zäpfchen – das alles seien Leistungen, die die Apotheken vor Ort neben der reinen Abgabe von Arzneimitteln erbringen, und zwar nur die Apotheken vor Ort, so die beiden Apotheker. Hinzu komme das Management der Lieferengpässe: „Wenn das verordnete Arzneimittel nicht verfügbar ist, dann suchen wir im direkten Austausch mit dem Arzt für den Patienten die individuell passende Alternative“, so Kattrin Hildebrandt.
Frank Dieckerhoff ergänzt, dass die Apotheken noch viele weitere Leistungen übernehmen und somit zum einen die Lebensqualität der Patienten verbessern, aber auch das Gesundheitswesen entlasten können, insbesondere finanziell. Durch ein gutes Management der Arzneimitteltherapie ließen sich Krankenhausaufenthalte und damit Folgekosten vermeiden, die durch Medikationsfehler bedingt seien. Weitere Impfangebote, Testungen auf verschiedene Krankheiten und Erreger sowie Präventionsangebote wie Tabakentwöhnung, nennt Dieckerhoff als weitere mögliche Leistungen. „Das alles aber setzt voraus“, dass das Apothekensystem endlich stabilisiert wird“, fordern Hildebrandt und Dieckerhoff.
„Die Apotheke vor Ort mit ihrer fachlichen Expertise ist eine unverzichtbare Anlaufstelle für die Patienten, die hier ganz im Mittelpunkt stehen“, so Sarah Beckhoff. „Um diese Versorgung für die Zukunft zu sichern, muss die Wirtschaftlichkeit der Apotheken gewährleistet werden.“
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