Sie leben von den Reserven. Stephan Neuhaus ist in Dritter Generation Inhaber der Bären-Apotheke in Dortmund. Kattrin Hildebrandt hat ihre Westfalia-Apotheke von den Eltern und Großeltern übernommen. Nun wird ihr Sohn Korwin sein Pharmazie-Studium bald beenden. Gern würde er die Apotheke eines Tages weiterführen. „Aber werde ich in Zukunft davon noch leben können?“, so schildert er dem Bundestagsabgeordneten Jens Peick und dessen Landtagskollegen Ralf Stoltze die Zukunftssorgen, die er derzeit hat.
Umverteilung hilft nicht
Die beiden SPD-Politiker haben sich mit den dreien in ihrem Dortmunder Wahlkreis getroffen, um mit ihnen über die Situation der Apotheken vor Ort zu sprechen. Denn die Zahl der Apothekenschließungen nimmt immer weiter zu. Um mehr als ein Viertel ist die Zahl der Dortmunder Apotheken in den vergangenen 15 Jahren gesunken. Die Apothekendichte in der Stadt liegt damit noch unter dem Bundesdurchschnitt und ist im europäischen Vergleich weit abgeschlagen. „Heute muss eine Apotheke in Dortmund 40 Prozent mehr Patienten versorgen als vor 15 Jahren“, so Kattrin Hildebrandt, die auch Mitglied im Beirat des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) ist.
Über die Ursache für diese Entwicklung zeigen sich beide Politiker bestens informiert: Sie kennen die wirtschaftlichen Zahlen, sie kennen auch das System der staatlich geregelten Vergütung und wissen um chronische Unterfinanzierung der Apotheken vor Ort. Gleich zu Beginn des Gespräches stellt der Sozialpolitiker Jens Peick deshalb klar: „Es muss mehr Geld in das System. Eine Honorarumverteilung, wie sie das Bundesgesundheitsministerium mit seiner Apothekenreform geplant hatte, hilft nicht.“ Sie würde die Versorgung der Patienten im Gegenteil gefährden, wie AVWL-Vorstandsmitglied Jan Harbecke warnt: Apotheken, deren Betriebsergebnis eher unterdurchschnittlich sei, könnten ihre Patienten dann nicht mehr mit innovativen hochpreisigen Arzneimitteln versorgen, weil ihnen die Liquidität fehle, diese vorzufinanzieren.
Reformidee mit hohen Folgekosten
Die Abschaffung der apothekerlichen Präsenzpflicht, die das Bundesgesundheitsministerium ebenfalls angedacht hatte, hält Peick hingegen für diskussionswürdig. In Zeiten des Fachkräftemangels müsse man Lösungen finden, um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch Apotheken zu sichern, so der Bundestagsabgeordnete. Gerade im ländlichen Raum müsse man auch von der strikten Präsenzpflicht abweichen können. Deshalb hält er das Konzept Apotheke ohne Apotheker unter Leitung von pharmazeutisch-technischen Assistenten für bedenkenswert.
Für Marius Böhnke aber ist dies keine Lösung. Der PTA-Praktikant ist aus der Dortmunder Wittekind-Apotheke zum Gespräch dazugekommen, weil es auch um seine Zukunft geht. Für die Leitung einer Apotheke fühle er als PTA sich nicht vorbereitet. Diese Verantwortung könne er nicht übernehmen, stellt er klar. Er schildert aus seinem Alltag, wie häufig PTA offene Fragen mit dem Apotheker oder eine Apothekerin klären müssen. Und warum das nicht online per Videochat zu machen ist, erklärt Kattrin Hildebrandt am Beispiel einer Patientin, die mit einem geröteten Auge in die Apotheke gekommen war. „Am Bildschirm hätte ich nicht beurteilen können, ob wir die Patientin zum Arzt schicken müssen“, so Kattrin Hildebrandt. In diesem Fall habe man zunächst mit einem nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel weiterhelfen können. „Wenn der Apotheker aus der Apotheke weggespart wird, ist das nicht mehr möglich. Die Einsparung wird an anderer Stelle zu höheren Folgekosten führen.“
Jens Peick will sich nun in Berlin weiterhin insbesondere für eine wirtschaftliche Stärkung der Apotheken vor Ort einsetzen.
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