Hat die Corona-Pandemie Ihren Blick auf die Apotheken vor Ort verändert – und falls ja, wie? Prof. Dr. Anke Weber: Als Mutter einer kleinen Tochter war mir schon vor der Corona-Pandemie sehr bewusst, wie wichtig ein Netz von Apotheken vor Ort ist. Insbesondere die durchgängige Versorgung mit Medikamenten, aber auch die fachgerechte Beratung in allen pharmazeutischen Fragen zeichnen Apotheken aus. Die Bedeutung von guter Aufklärung über Medikamente und ihrer Nebenwirkungen ist durch die Corona-Pandemie noch deutlicher geworden. Diese Beratung wird nicht durch eine bloße Darstellung des Beipackzettels ersetzbar sein.
Welche Rolle sollen die Apotheken vor Ort nach der Corona-Krise für die Gesundheitsversorgung der Menschen spielen? Die Apotheke vor Ort muss sicherstellen, dass Menschen zu jeder Zeit, gut, vertrauensvoll und persönlich zu Medikamenten beraten werden können. Gerade im sehr vulnerablen Bereich von Krankheit wird ein, wohlmöglich automatisierter, Online-Kontakt nicht den persönlichen Kontakt ersetzen können. Zugleich wird durch die Bevorratung von vielen Medikamenten (und dem Wissen um mögliche Alternativen) sichergestellt, dass dringende Bedarfe auch dringend gelöst werden.
Und welche Rolle soll der ausländische Versandhandel künftig einnehmen? Zunächst einmal ist die Möglichkeit des grenzübergreifenden Handels ein großer Gewinn der EU. Im Bereich von Medikamenten müssen hier jedoch starke Grenzen eingezogen werden. Nicht nur die Fragen von Zulassungen und verschiedenen Beipackzetteln, sondern auch von Beratung und Haftung von entscheidender Bedeutung. Es muss sichergestellt werden, dass Apotheken Chancengleichheit genießen und sich nicht einzelne Apotheken auf das lukrative Geschäft des Online-Handels zurückziehen und auf Kosten der Apotheker*innen vor Ort unfaire Gewinne machen. Pures Rosinenpicken auf Kosten der stationären Apotheken lehnen wir ab. Wir wollen faire Chancen durch eine gerechtere Vergütung von Leistungen neben der Medikamentenabgabe und eine Weiterentwicklung des Nacht- und Notdienstfonds erreichen. Wir lehnen es ab, wenn Patient*innen für das Einlösen von verschreibungspflichtigen Medikamenten belohnt werden.
Haben Sie schon einmal den Nacht- oder Notdienst einer Apotheke gebraucht? Glücklicherweise musste ich noch nie den Not- oder Nachtdienst in Anspruch nehmen. Als Mutter eines kleinen Kindes bin ich aber sehr froh zu wissen, dass es diesen Dienst gibt.
Das E-Rezept kommt – wo werden Sie es einlösen und warum dort? Ich werde das E-Rezept, so wie auch die „alten“ Papierrezepte, in der Apotheke vor Ort einlösen, da ich vom System stationärer Apotheken überzeugt bin und in den Situationen, in denen ich ein Rezept einlösen will, auch nicht noch mehrere Tage auf den Versand warten will.
Wie wollen Sie das flächendeckende Netz der Apotheken vor Ort für die Zukunft bewahren und damit die persönliche, flexible pharmazeutische Betreuung der Patienten sichern? Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass für Apotheker*innen die Einstiegshürden gesenkt werden, z.B. in dem mehrere eine gemeinsame Apotheke betreiben können. Auch wollen wir größere Zusammenarbeiten aller medizinischen Berufe fördern und so gemeinsame MVZen vorantreiben. Den Nacht- und Notdienstfonds wollen wir zu einem echten Sicherstellungsfonds der Apothekenversorgung weiterentwickeln. Wir wollen gezielt kleinere Apotheken unterstützen, indem die Vergütung für die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente an den Umsatz der Apotheke gekoppelt wird. Apotheker*innen sollen nach unseren Vorstellungen auch gezielter in ihrer heilberuflichen Kompetenz wahrgenommen und honoriert werden, zum Beispiel bei dem Medikamentenmanagement oder bei Mehrfacherkrankungen.
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